Mittwoch, 9. Oktober 2013

Mein erstes Mal... in den Dolomiten

Super! Endlich! Es herrscht brauchbares Herbstwetter mit einem Hoch mitten über Europa und ich habe noch fünf Tage Resturlaub (leider nicht mein Hase), die ich verbraten kann. Was also tun? Im Nachhinein gesehen wäre ich um des puren Fliegens Willen wohl Montag morgen gaaaanz früh los gefahren um mich am selben Tag noch in den Dolomiten raus zu hauen. Da wir aber am Sonntag auch erst spät vom Coupe Icare aus St. Hilaire gekommen sind, musste ich meine sieben Sachen erst mal sortieren und wollte zudem in mehreren Stationen von Freiburg in die Dolos und wieder zurück. So ging mein erster Stopp Montag Nachmittag über den Hochgrad, der zwar nur einen kurzen Abgleiter zuließ, dafür aber nicht gerade überbevölkert war. Mit den beiden sehr netten Lokals ging's noch ein Landebier bei der mittleren Simatsgrundalpe trinken

(Mit gruseligen Stories über Hupschrauberabstürze in der Pionierzeit erzählt vom Hüttenbesitzer), worauf ich mein erstes Zelt-Nachtlager am Parkplatz der Seilbahn aufschlug. Dies war wohl mit Abstand die kälteste Nacht bisher im Zelt, bei +3 °C am nächsten Morgen. Man war das a....kalt.

Nach einem guten Frühstück beim Bäcker in Steibis ging's weiter zur nächsten Station, dem Tegelberg. Ich kann nur jedem empfehlen dort mal fliegen zu gehen, sich aber auch gründlich die ganzen Auflagen durchzulesen. Auch hier sorgte die gut sichtbare Inversion für sehr stabile und wenig thermikträchtige Verhältnisse. Daher war auch für unter der Woche nicht viel los, was das Auslegen und Starten am kleinen aber feinen Nordstartplatz direkt neben der Seilbahn sehr entspannt gestaltete. 

Der erste Flug führte natürlich über Neuschwanstein, war aber nach ca. 10 Minuten schon wieder beendet. 
Auch der zweite Flug war nicht sehr viel länger. Nach 30 Minuten kämpfen in der schwachen Thermik über der Rohrkopfhütte war's dann auch wieder vorbei. Luca hatte etwas mehr Glück (oder Können, oder den besseren Schirm, oder beides :-) und konnte noch ein wenig verlängern. Nach dem obligatorischen Landebier wollte ich aber recht zügig in die Dolomiten düsen. Sorry Luca für den raschen Aufbruch und danke, dass du dir den Tag frei nehmen konntest. Wir sehen uns beim Siku :-)

Eigentlich wollte ich den Campingplatz in Campitello di Fassa nehmen, fuhr aber durch die Dunkelheit bei Ankunft leicht desorientiert schon bei Canazei auf den Campingplatz Marmolada. Der war wunderschön leer und auch nicht weit von der Seilbahn in Campitello entfernt.
(Kleiner Einschub für Legastheniker wie mich und im speziellen für Franken, die oft für "t" ein "d" sprechen. So war ich gewohnt den Namen des Berges mit einem "d" auszusprechen, wie es auch korrekt im Italienischen ist. Im Deutschen schreibt man es aber mit "t", Marmolata)

Mittwoch Morgen. Leicht bedeckt sieht es noch nicht nach einem guten Tag aus, doch nach dem Frühstück lösen sich die letzten Wolken auf und ich mache mich erwartungsfroh auf den Weg nach Campitello und hoch zum Col Rodella. Im Vergleich zum Hochgrat und dem Tegelberg ist die Seilbahn hier spottbillig, sehr geräumig für viele Sackträger und rasend schnell. Auch die lästigen Parkplatzgebühren entfallen hier. Ich bin begeistert. Oben angekommen überwältigt mich erst mal dieser grandiose Anblick auf die schroffen Felsriesen. Hier steht nicht nur eines dieser Kalkstein-Riffe herum, sondern gleich mehrere die vom Col Rodella aus gesehen wie ein Orchester angeordnet sind mit dem Col mitten drin.
Dieser ordentlich geschliffene "Hügel" (siehe Film) bietet eigentlich Startmöglichkeiten in alle Richtungen, wobei ich für die besonderen Verhältnisse und Gefahren dieser Gegend gerne auf den Artikel von Lu-glidz mit weiterführenden Links hinweisen möchte. Eine gute Starttechnik, einige Erfahrung auch in starker Thermik und eine gewisse Abhärtung was das Fliegen in überfüllten Bärten anbetrifft sollte man schon haben um hier fliegen zu wollen. Besonders an schwachen Tagen wie an diesem Mittwoch, an dem die Thermik nur an 1-2 Stellen ein Obenbleiben ermöglicht erfordert die Kurbelei mit 10-20 Piloten (oder noch mehr) im gleichen Bart oder drum herum volle Konzentration. Nach zwei Stunden Kampf mit der schwachen Thermik und den unaufhörlich in den Bart rein und rausfliegenden Kollegen verbesserten sich die Bedingungen und ließen ein Entrinnen nach hinten an den Langkofel zu. Dort angekommen wird man an den steilen Felswänden wie ein Sektkorken nach oben katapultiert. Ein respektvoller Abstand zur Felswand und die üblichen Schweinereien beim möglichen Rausfallen aus der 6-8 m/s Thermikblase sollten immer beachtet werden. Von da an ging es erst mal relativ gemütlich im oberen Stockwerk rüber zum Sellastock, anschließend zum Sass Pordoi und Belvedere. Der Einstieg zur Marmolata wäre möglich gewesen, wenn dessen Südflanke nicht abgeschattet, bzw. schlecht getragen hätte. So entschied ich mich gegen den Talwind zurück an den Belvedere zu kommen, was auf der Nordseite des Tales leider einen verdammt leeigen Eindruck hinterlies. Für die folgenden 20 Minuten war der Prallhang des Belvederes oberhalb von Canazei im Talwind meine Parkposition. Ein erster Versuch in der Südflanke einen Leebart auszukurbeln endete wie zuvor auch mit Höhenverlust und üblen Leeturbulenzen. Ein Versuch später mit nur 50 m mehr an Höhe glückte und katapultierte mich wieder auf eine angenehme Höhe zur Querung an die Marmolata. Doch auch der zweite Versuch dort einzusteigen misslang. Immerhin wählte ich nun den etwas intelligenteren Rückweg zum Prallhang des Belvederes in der Mitte des Tales.
Von dort aus ging's wieder rüber zum Col Rodella und anschließend mal auf die südliche Talseite. Dort war der Einstieg in die hoch tragende Thermik auch etwas zäher, doch konnte ich dadurch etwas Strecke ohne den lästigen Talwind nach Süden machen. Der Sprung an die weiter südlich gelegene Punta Valacia erschien mir nicht möglich, wodurch ich das Tal nach Westen zum Rosengarten querte. Fast der komplette Rosengarten lag im Schatten, nur der Einstieg war noch ca. bis 100 m unter mir von der Sonne beschienen. Trotzdem ging es auch im Schatten stetig nach oben (warum auch immer, Restwärme im Wald gespeichert?), wodurch ich fast bis zum Rifugio Vajolet fliegen konnte. Es war eines der genialsten Erlebnisse dieses Fluges im stetigen und sanften Aufwind an den 400-500 m hoch reichenden senkrechten Felswänden empor zusteigen. Von hier aus wäre ich im Gleitflug sicherlich bis Campitello gekommen oder hätte dort den Einstieg evtl. zum Col Rodella wieder geschafft, doch machte ich nun den Fehler noch ein wenig weiter nach Süden über den Campedie fliegen zu wollen. Zunächst sah das gut machbar aus, doch schmolz meine Höhe ab der Mitte des Rosengartentales rapide dahin. Fünfzig Meter mehr an Höhe hätten gereicht und ich wäre sicher weiter gekommen. So drehte ich in üblen Leeturbulenzen um und kam zwischen Mazzin und Campestrin 3 km vor der Seilbahn von Campitello zum landen.

Wow. 5 Stunden 30 Minuten in der Luft. Das ist persönlicher Rekord und das auch noch als Newbie in den Dolomiten. Nachdem einige Grundbedürfnisse (trinken, essen, und wässriges wieder los werden) dringend befriedigt werden mussten machte ich mich auf den kurzen Weg zur Seilbahn zurück. Am Col Rodella waren noch geschätzte 100 Flieger am kurbeln, nur für diesen Tag war's echt genug für mich.
Nächster Tag, Donnerstag. Es sieht zunächst ganz gut aus und ich mache mich gemütlich auf den Weg nach oben. Dort angekommen verschlechtert sich das Wetter zusehends und dazu kommt der Wind auch noch deutlich aus dem Norden. Uff Nordwind in den Dolos. Der böse Nordwind, bei dem man nicht fliegen soll. Tja, was soll man sagen, es wurde trotzdem geflogen und das garnicht mal so schlecht, denn der Föhnanzeiger (Luftdruckunterschied zwischen Bozen und Innsbruck) lies mit 1-2 hpa Druckunterschied generell unfliegbare Bedingungen nicht erwarten. Zudem war der Wind überregional auf NW-W vorhergesagt, durch den Sellapass kam er aber zunächst umgelenkt direkt von Norden auf den Col Rodella zugeströmt. Da das Wolkenbild auch nichts schlimmes erwarten lies legte ich wie so viele andere Piloten auch zwischen den beiden Seilbahnen hinter dem Refugio Salei Di Monteleone aus. Mit thermikunterstützdem Soaring flog man bald hoch über dem Col Rodella. Der erste Ausflug zum Langkofel beendete ich relativ früh, da sich das Lee schon frühzeitig ankündigte. Das Lee des Sellastockes beim zweiten Versuch mal wo anders hin zu fliegen war auch nicht gerade unerwartet und vermasselte mir den Wiedereinstieg ins Aufwindband.
Nach der Landung und wieder hoch fahren war der Wind in der Zwischenzeit auf West gedreht und hatte deutlich zugelegt. Ich entschloss mich daher für die bessere Alternative und wanderte rüber und hoch zum Refugion Toni Demetz (siehe im roten Kreis, Bild unten), malerisch gelegen zwischen dem Langkofel und der Grohmannspitze.
Auch am späteren Abend waren die Bedingungen nicht gerade optimal für's fliegen, was natürlich ein paar wenige nicht davon abhielt trotzdem einen Abgleiter zu machen, oder direkt am Sellapass Spass zu haben.
Der Freitag verlief ähnlich, aber nicht ganz so windig mit den ersten beiden Starts nach Norden. Nach dem Drehen des Windes auf West machte ich der Abwechslung halber mal einen Start neben den Seilbahnen am Refugio und versuchte mich an der Westseite des Col Rodella Soarend zu halten. Mit mäßigem Erfolg. Später am Nachmittag legte der Wind im Fassa-Tal etwas zu und ermöglichte meinen letzten Start dieser Reise vom Südstartplatz unterhalb der großen Seilbahn. Nachdem es soarend und mit Thermik aus dem halbschattigen Nichts ordentlich nach oben ging, war im Norden recht schnell zu erkennen, dass von dort nichts Gutes angerauscht kommt. Also flog ich in die Mitte des Tales und vernichtete die ca. 1000 m möglichst schnell mit zwei netten Steilspiralen.
Als ich am Auto ankam klatschten die ersten Tropfen auf die Windschutzscheibe, wodurch sich ein paar mehr der vielen Flieger über dem Tal veranlasst sahen, die Ohren anzulegen. Leider musste ich auch noch nach dem Abbauen des Zeltes im strömenden Regen feststellen, dass sich noch immer ein Flieger über Canazei rückwärtsfliegend in der Luft befand. Er konnte zum Glück sicher auf einer Wiese einlanden. Das war endgültig das Zeichen um diesen genialen Flugurlaub zu beenden und die Reise nach Hause anzutreten. Gut möglich, dass ich irgendwann mal wieder komme, mit Freunden und oder dem Hasen. Marmolata wir sehen uns!





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