Montag, 10. September 2012

Der Genuativ

Wegen dem Regen (Genuativ: von lateinisch "casus genuativus": die Herkunft bezeichnender besonders ärgerlicher meterologischer Sonderfall) mussten wir unsere Radeltour zum Lago Maggiore vorzeitig beenden. Den Grimselpass haben wir uns noch bei einsetzendem Regen und 11°C auf Passhöhe hochgequält. Doch die Aussicht für den nächsten Tag mit Schnee ab 1800m führte dann doch zur Einsicht, dass der Nufenenpass wohl doch lieber ausgelassen werden sollte.
Per Bahn- und Autoverlad ging es einen Tag früher als geplant an den See, wo uns am späten Abend und den ganzen nächsten Tag der Regen doch wieder einholte. Den Sonntag, der seinem Namen unerwarteter Weise alle Ehre machte, konnten wir nutzen, um auf der Ostseite des Sees am Sasso del Fero richtig schön fliegen zu gehen.

Die Fahrt mit der "Kübelseilbahn" von Laveno ist alleine schon den Besuch wert. In den kleinen Stehkabinen hat man schon bei der Auffahrt am steilen Hang einen grandiosen Frischluftausblick über den See. Dazu finde ich das Ganztagesticket für Flieger erstaunlich günstig mit 9,50€. Drachenflieger können direkt hinter der Seilbahn starten. Für uns Tütenflieger steht 100 Hm weiter oben eine semi-optimale Startwiese zur Verfügung. Je nach Jahreszeit machen die störrische Vegetation und die dazwischen liegenden Steine das Leinensortieren am Startplatz zu einem Geduldspiel.
Besser ist es auf, oder hinter der Kuppe (feinerer Rasen) vorzusortieren und sich dort schon startbereit einzuhängen. Wie an anderen vielfrequentierten Startplätzen auch, rafft man seinen Schirm dann einfach zusammen, geht an den Startplatz und bekommt seinen Schirm von netten Kollegen sogar noch ausgebreitet.
Während dem Vielflieger und dem Hasen die gedämpfte (Cirrostratus) Nachmittagsthermik noch zu unheimlich waren, wollte ich die kleine Hügelkette einmal hin und zurück abfliegen. Der Hinweg war ein Kinderspiel. Der Rückweg erforderte dann doch etwas mehr Bastelarbeit um nicht in einem der Seitentäler abzusaufen. Nach einem letzten Abstecher über dem See ging ich rundum zufrieden landen.
Den nächsten Tag konnte man mal wieder wegen dem Regen abhaken. Der Dienstag begann ähnlich verwaschen, entwickelte sich aber zumindest für den Abend als abgleitertauglich, was Vielflieger und Hase an der Alpe Pala für einen kurzen Hüpfer nutzten. Dieser Startplatz ist recht komfortabel mit dem Auto erreichbar, wenn auch die letzten 60 Höhenmeter nur zu Fuß zuzückzulegen sind. Geparkt wird an der kleinen Kapelle, neben der man praktischer Weise auch noch seine Trinkflasche auffüllen kann. Die breite Startschneise mit kurz gehaltener Stoppelwiese erlaubt Wind aus SW bis SO. Da aber bei passendem Wetter der Wind am Lago Maggiore ab Nachmittags immer aus Süd kommt, müsste man das eigentlich gar nicht erwähnen. Der Landeplatz sieht auf den ersten Blick etwas verwinkelt aus. Quer eingelandet ist er aber mehr als ausreichend. Mittwoch, bestes Wetter, der Vielflieger bringt mich zur besten Mittagsthermik an den Startplatz.

Rechts von der Schneise trägt es gut, links davon über der Kuhle geht es dafür richtig hoch. Das ist offensichtlich der Hausbart. 150 Hm reichen mir um an die nächste Kante auf der rechten Seite zu kommen. Dort verspreche ich mir wegen der spärlicheren Vegetation den besseren Bart und werde nicht enttäuscht. Zwei Fehler versauen mir aber leider den bis dahin schönen Flug. Erstens war die Flugplanung nicht gerade optimal, da meine Flugroute im Tal hoch nach Domodossola den massiven Talwind nicht richtig mit einbezogen hatte. Als mir dieser bewusst wurde, mache ich sogleich den zweiten Fehler und lasse mich zu weit versetzen, anstatt an der letzten Thermiktankstelle Höhe zu machen. Der Rest des Fluges bestand aus wackel, runderspül und Landeplatzsuche. Damit war dieser Tag gelaufen!
Nächster Tag, vermeintlich gutes Flugwetter, leider aber ziemlich stabil. Die ersten beiden Versuche enden verfrüht. Immerhin kann ich mir ein paar Meter des Rückweges sparen, da ich jedes mal auf einer Wiese neben dem Friedhof außenlande. Die erste Auffahrt geht bis kurz vor Miazzina mit einem LKW. Nach dem Dorf nimmt mich ein Mopedfahrer mit, der nicht schlecht staunt, als ich einen Helm aus meinem Monstersack hervorzaubere. Dumm nur, dass eben dieser Rucksack bei der Fahrt etwas zur Seite hängt und ich die Fahrt über hauptsächlich mit der Stabilisierung meiner Sitzposition beschäftigt bin. Noch während der zweiten Landung ruft es mir von unten irgendwas auf italienisch zu. Iche natürliche nixe verstehe. Nach der Landung wird auch schnell klar, was der Wortlaut war, da zwei lokale Paragliderpiloten mich nur darauf hinweisen wollten auf der Wiese, die dem See näher liegt einzulanden. Die obere Wiese, so wird mir später berichtet, hat leider einen kleinen Schönheitsfehler (Stahlseil), welcher von oben schwer zu sehen ist und vor ein paar Jahren einem Piloten zum Verhängnis wurde. Nach der Begrüßung rechne ich erst mal mit einer Belehrung, werde aber sogleich mit zum Startplatz mitgenommen. Die Fahrerin ist eine gute Pilotin mit Wettkampferfahrung und gibt mir den Tipp direkt nach Norden in den Nationalpark Val Grande zu fliegen. Oben angekommen sieht der Startplatz im Vergleich zu den letzten Tagen mit sieben Piloten regelrecht überbevölkert aus. Es wird gemütlich ausgelegt und nebenbei noch Startplatzpflege auf italienisch betrieben. Zuerst dachte ich noch man würde seltene Kräuter gießen. Die ersten starten und nur die erfahrene Pilotin kann sich halten, bzw. aufdrehen. Der Einstieg in die Thermik ist heute tatsächlich nicht ganz einfach. Nach längerer Suche finde ich doch noch den durchziehenden Bart und kann zur ihr aufschließen. Wie zuvor ausgemacht, zeigt sie mir welche Stellen wir anfliegen müssen. Gemeinsam kurbeln wir von einer perfekten Thermik zur anderen und befinden uns bald über dem 2156 m hohen Monte Zeda. Plötzlich ruft sie mir etwas rüber, was ich aber nach mehrmaligem Nachfragen nicht verstehe. Letztendlich fliegt sie zurück und ich weiter nach Norden. Erst nach der Landung lese ich ihre SMS mit der Erklärung, dass sie kurzfristig auf Arbeit musste. Vielleicht wollte sie mich aber auch alleine in der italienischen Diaspora zurück lassen :-). Dass ich ohne ihre Erfahrung des Fluggebietes nicht ganz so gut Vorwärts komme ist schon klar. Allerdings braucht es auch nur noch ein paar Aufwinde und ich kann gemütlich ins Tal bei Santa Maria Maggiore hinabgleiten. Aus gemütlich wird aber wieder mal wackelig, da der Südwind über die Berge gespült wird. An einem kleineren Bergrücken in der Mitte des Tales angekommen befürchte ich das gleiche Spielchen mit dem seitlichen Talwind wie am Tag zuvor. Tatsächlich kommt der Wind nicht unerheblich aus Richtung Locarno. Trotzdem gelingt es mir wieder Höhe zu machen. Da der Tag schon etwas fortgeschritten ist, wird es nun Zeit sich über die Rückkehr Gedanken zu machen. Was mir allerdings auch zu denken gibt ist die Tatsache, dass ich der einzige Pilot im ganzen Tal bin. Die Möglichkeit mich bis zur Piana di Vergezzo hoch zu arbeiten verwerfe ich zunächst, da ich dafür viel zu tief über dem Tal angekommen bin. Später hätte ich es eventuell wagen können. Da hatte ich mich allerdings schon dafür entschieden, so weit wie möglich Richtung Locarno zu kommen. Der Rückweg via Domodossola wäre wohl gleich weit gewesen, doch rechnete ich mit besseren Mitfahrgelegenheiten ab Locarno. Da ich schon recht tief war und der Talwind noch zunahm, wählte ich die letzte landbare Wiese bevor das Tal bis Locarno in der imposanten Melezza-Schlucht verschwindet. Trotzdem sind es bis dorthin noch 20 km. Ein französisch sprachiger Schönheitschirurg nimmt mich netter Weise bis Brissago mit. Den schweizer Grenzbeamten sind aber offensichtlich zwei Männer mit einem überdimensionierten Rucksack auf der Rücksitzbank etwas suspekt. Nach der Passabfrage und einer kurzen Kontrolle der Taschen und Säcke durften wir zum Glück weiter fahren. Möglicher Weise half auch der Hinweis, das mein Equipment "swiss made" wäre. Ab Brissago kann man recht günstig mit dem Bus bis Pallanza fahren. Da ich bisher schon in der Luft und auf dem Landweg unterwegs war, fehlte nur noch der Seeweg mit der zeitlich perfekt passenden Fähre nach Baveno.

Letzter ganzer Tag, bestes Streckenwetter dieser Woche, doch meine Miturlauber kommen gerade jetzt auf die Idee an Flugverweigerung zu erkranken. Da hilft alles Nölen und Maulen nichts, der Tag wird mit Marktbesuch und schwimmen im See verbracht.
Einen Tag später, Abreisetag. Auf dem Weg nach Hause befindet sich das vom Vielflieger schon diverse mal vorgeschwärmte Fluggebiet der Cimetta. Mehr als einen verlängerten Abgleiter schaffe ich in der stabilen Luft aber auch nicht. Dafür ist die Aussicht auf den Lago Maggiore schon einzigartig. Mit ausreichend Höhe zum Landeplatz ziehe ich mal wieder die Bremsen bis unter den Allerwertesten und vernichte die verbliebene Resthöhe mit einer schönen Steilspirale. Das musste noch sein, so zum Urlaubsabschluss :-).


Dienstag, 21. August 2012

Tandem Tandem Tandem

Es rockt !
Hatte ich bisher immer geglaubt, dass das nix wird mit dem Tandem und mal so richtig aufdrehen, so hat mir das gute Flugwetter in letzter Zeit etwas anderes bewiesen: Es geht, auch mit dem Tandem!

Und was fällt auf? 
Das Kurbeln mit dem Tandem in der Thermik kostet richtig Kraft. Dabei habe ich schon einen Schirm mit vergleichsweise geringen Steuerkräften. Auffallend ist auch, das mich stärkere Thermik im Vergleich zum Solofliegen viel stärker versucht aus dem Steigen herauszukicken. Denn fliegt man seitlich in eine Thermik hinein so "spürt" nur eine Seite des Schirmes das erhöhte Steigen und wird angehoben. Dies führt unweigerlich zu einer Rollbewegung die in eine leichte Kurve mündet. Dummerweise ist die Richtung dieser Kurve aber entgegengesetzt zu der Richtung, die man eigentlich einschlagen möchte, um weiter in die Thermik einzutauchen. Nun kann man natürlich stur und mit erhöhter Kraft versuchen gegenzulenken, was aber gleichzeitig auch ein erhöhtes Sinken bewirkt. Ein bisschen schlauer ist es allerdings die Rollbewegung zu nutzen und nach dem Durchpendeln erst die Kurve in die gewünschte Richtung einzuleiten. Einfacher wird die Kurbelei natürlich auch wenn Pilot und vor allem der Passagier aktiv mit dem Körpergewicht mitsteuern (in die Kurve legen). 
Das dem ein oder anderen Passagier diese Kurbelei und die vor allem für ihn manchmal unvorhersehbaren Richtungswechsel mit freiem Blick nach vorne und unten zusetzen kann, war mir ja schon bekannt. Bisher konnte ich noch rechtzeitig landen, bevor das Übel sich vollends entladen konnte. Vor ein paar Wochen war nach ca. 1000 m hochkurbeln aber leider kein Kraut gegen die Übelkeit gewachsen. Selbst im Geradeausflug und bei bestem Bemühen den Schirm ruhig zu halten, wollte sie nicht wieder verschwinden. Auch das Ohren anlegen um schneller runter zu kommen dauerte zu lange. Um der Eutrophierung des Schwarzwaldes entgegenzuwirken nehme ich demnächst vorsorglich eine Auffangvorrichtung mit (Plastiktüte), die, so habe ich aus fachkundlichen Kreisen gehöhrt, wahre Wunder wirken kann:
Pilot:"Alles ok da vorne dran?" 
Passagier:"...Hmm, mir ist jetzt doch leicht übel"
Pilot: "Hier is ne Tüte, falls du sie brauchst."
Passagier (meist männlich):"Ne, ne, geht schon wieder". (ich brauch doch keine Tüte!)
Alternativ soll auch vollquatschen helfen, oder einfach ablenken und auf markante Punkte in der Umgebung hinweisen. Der armen Passagierin, die sich für die Schwarzwalddüngung doch recht arg geschämt hat möchte ich nur noch mal sagen, dass ich es nicht im geringsten schlimm fand.






Und was nun. 
Letzte Woche ging es mit dem Radel zum Lago Maggiore, an dem wir mittlerweile angekommen sind. Obwohl hier gerade recht bescheidenes Wetter ist, hoffe ich, dass wir doch noch ein paar schöne Flüge machen können.